Mehr über Willibald Dick

Kriegsdienstverweigerer in der Wehrmacht mussten sterben – auch in der Bundesrepublik sah man das so



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Willibald Dick wurde am 14.Juni 1912 in Weipert im damaligen Sudetengau als Sohn des Fabrikarbeiters Daniel und von Anna Dick, verwitwete Langer, geboren.

Die militärische Laufbahn ist bei den meisten anderen Soldaten in den Karteien der Wehrmachtsauskunftsststelle (WASt) sehr akribisch dokumentiert - im Fall von Willibald Dick ist sie ausgesprochen knapp. Es ist lediglich vermerkt, dass er zur Flak-Ersatz-Abteilung 12 Berlin-Lankwitz als Kanonier eingezogen wurde - allerdings ohne Datum. Das deutet darauf hin, dass er möglicherweise gar nicht formell in die Einheit aufgenommen wurde, weil er den Wehrdienst nicht antreten wollte.

Ob Willibald Dick den Zeugen Jehovas angehörte oder nahestand und deshalb den Wehrdienst verweigert hat, kann anhand der vorliegenden Akten nicht abschließend geklärt werden. Zu den Gründen der Verweigerung liegt lediglich der Schriftverkehr der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) aus Waiblingen mit dem Bürgermeisteramt Ludwigsburg von 1947 vor, in dem es unter anderem heißt: 

„Wie uns bekannt wurde, liegt auf dem Friedhof in Ludwigsburg, in Abt. 27 der ehemalige Wehrmachtsangehörige Willibald Dick beerdigt. Derselbe wurde am 14.8.1943 in Oßweil erschossen, da er aus seiner religiösen Einstellung heraus den Militärdienst verweigert hatte. […] Diese Angaben macht uns Frau Herbst, Endersbach, deren Mann in demselben Fall zu Tode verurteilt wurde, aber in Brandenburg hingerichtet wurde. Sie hatte vor etwa 14 Tagen, am Todestag des Dick, dessen Grabstätte besucht […]“

Leider ist Frau Herbst bereits in den 1950er Jahren verstorben und die Tochter war damals noch recht jung. Albert Herbst war von 1922 bis 1930 Mitglied der Baptistengemeinde und hatte bei seiner Einberufung am ersten Tag erklärt, dass er aus religiöser Überzeugung keinen Waffendienst leisten könne. Er wurde am 14. April 1943 festgenommen und kam in den Standortarrest in Böblingen.

Es scheint feststehen, dass Willibald Dick aus „religiösen Gründen“ den Wehrdienst verweigert hat. Welcher Religion er angehörte, ist damit aber nicht eindeutig geklärt. Allerdings trifft es nicht zu, dass Alfred Herbst und Willibald Dick im „gleichen Fall“ verurteilt wurden. Vielleicht ist damit gemeint, dass beide wegen des „gleichen Delikts“ verurteilt wurden. Die vorliegende Abschrift des Kriegsgerichtsurteils von Alfred Herbst lässt eine Verbindung zwischen den Verweigerungen der beiden Männer nicht zu. Zu Willibald Dick liegt kein Kriegsgerichtsurteil vor.

Alfred Herbst wurde am 15. April 1943 nach Ludwigsburg in Untersuchungshaft in die Wehrmachthaftanstalt gebracht. Sein Verfahren war beim Gericht der Panzerdivision Nr. 155, die in Ludwigsburg stationiert war, anhängig und er wurde am 10. Mai dazu vernommen. Am 27. Mai schrieb er nun aber aus dem Wehrmacht-Untersuchungsgefängnis Berlin: „Es ist mir eine große Freude, das Wort Gottes bei mir haben zu dürfen […]. Auch hier sind wir zu zweit in einer Zelle wie in Ludwigsburg.“ Das ist leider der einzige Hinweis. Demnach wären Alfred Herbst und Willibald Dick bis maximal 21. Mai 1943 zusammen in Ludwigsburg in Haft gewesen. Um diese Zeit war Willibald Dick bereits in Ludwigsburg.

Im Index des Gefangenenbuchs des Untersuchungsgefängnisses Stuttgart war Willibald Dick als Gefangener Nr. 62 (1943) vermerkt. Leider fehlt die Seite, die Auskunft geben könnte über das Datum seiner Einlieferung ins Gefängnis, aus welcher Einheit er kam und warum er zum Tod verurteilt wurde. Die Seite wurde offensichtlich herausgerissen. Aus den verbleibenden Seiten kann man schließen, dass Dick zwischen dem 5. und 10. Mai in die Untersuchungshaftanstalt Stuttgart eingeliefert wurde. Danach wurde er in die Wehrmachtshaftanstalt in der Ludwigsburger Hindenburgstraße gebracht und war dort wohl mit Herbst zeitweise in einer Zelle.

Die nächste Spur ist die Meldung, dass Willibald Dick vom Feldgericht des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau VII, Außenstelle Stuttgart, zum Tod verurteilt und am 14. August 1943 um 6.04 Uhr in Ludwigsburg erschossen wurde. Am 17. August wurde Willibald Dick beerdigt und am 3. November 1943 wurde der Sterbefall vom Standesamt Ludwigsburg unter 624/1943 beurkundet.

Die VVN hatte in der Nachkriegszeit eine Anzeige gegen unbekannt wegen Mordes an Willibald Dick gestellt. Nachdem die Justiz versucht hatte, an verschiedenen Stellen Auskünfte über das Verfahren einzuholen, wurde das Verfahren schließlich eingestellt. In der der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 28. Dezember 1989 hieß es:

„Hinrichtungen aufgrund eines Gerichtsverfahrens, welches dem zur Tatzeit geltenden Recht entsprach, sind ohne Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig nicht als Mord zu qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass das Feldgerichtsurteil nicht entsprechend den damals geltenden formellen und materiellen Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches ergangen ist, liegen nicht vor. Schon aus diesem Grund ist das Verfahren deshalb gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Hinzukommt, dass die personelle Zusammensetzung des Gerichts nicht ermittelt werden konnte.“

Willibald Dick gehört zu den hingerichteten Verweigerern des Kriegsdiensts während der NS-Diktatur, die durch Beschluss des Deutschen Bundestags von 2002 rehabilitiert wurden.

Derzeit (Sommer 2023) ist davon auszugehen, dass mindestens 273 Zeugen Jehovas wegen Wehrdienstverweigerung von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.



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